Rarität des Monats Mai 2025
Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.
Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeden Monat eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.
Am 5. Mai 2025 (Montag) um 17.30 Uhr läuft (mit einer Einführung):
Meine Frau macht Musik
DDR 1957/1958 – 88 Min. (2501 m) – 35 mm (1:1,33) – Farbe
Regie, Drehbuch: Hans Heinrich. Szenarium: Walter Niklaus. Kamera: Eugen Klagemann. 2. Kamera: Karl Drömmer. Schnitt: Friedel Welsandt. Szenenbild: Oskar Pietsch. Dramaturgie: Marieluise Steinhauer. Musik: Gerd Natschinski. Ton: Gerhard Wiek. Musikton: Günter Lambert. Kostüm: Gerhard Kaddatz. Maske: Lydia Braatz, Stefan Jezierski. Requisite: Ferdinand Schwarzer. Regieassistenz: Eleonore Dressel. Kameraassistenz: Herbert Wagner. Aufnahmeleitung: Christian Urban. Choreographie: Gertrud Steinweg, Jens Keith. DEFA-Photograph: Eduard Neufeld.
Darsteller: Lore Frisch (Gerda Wagner), Günther Simon (Gustl Wagner), Axel Dietrich (Rigi), Guido Thielsch (Sigi), Maly Delschaft (Susi Rettig), Alice Prill (Eva Rettig), Herbert Kiper (Fritz Rettig), Evelyn Künneke (Daisy), Alexander Hegarth (Lorenzo Fabiani), Mario Lerch (Francesco), Kurt Schmidtchen (Arthur Papke), Paul Heidemann (Direktor Nielsen), Else Korén (Frau des Hutkäufers), Alfred Maack (alter Pförtner), Hans Klering (Hutkäufer), Paul R. Henker (U-Bahn-Kontrolleur), Walter E. Fuß (Barmixer), Guido Goroll (Mann in Loge), Katina Imme (Katharina), Ruth Kommerell (Verkäuferin am Papierwarenstand), Genia Lapuhs (Autogrammjägerin), Werner Lierck (Kunde), Hannelore Lottis (Nummerngirl), Ingeborg Naß (Direktrice), Dieter Perlwitz (Kunde), Heinz Schubert (Spießer), Nico Turoff (Theaterdiener), Brigitte Stroh (Verkäuferin), Sabine Nebauer (Stubenmädchen), Friedrich Teitge (Bühnenarbeiter), Hans Schwenke (alter Artist), Wolf Lucas (Kunde), Christiane von Trümbach (Zuschauerin), Gerd Michael Henneberg (Mann in Loge), Karl-Heinz Weiß (Zuschauer), Friedrich Wilke (Genießer), Hilde Püsch (Spießerin), Albert Zahn (Spießer).
Musikinterpreten: Gitta Lind (Gesang Gerda Wagner), Klaus Groß (Gesang Lorenzo Fabiani), Die Ping-Pongs, Rundfunk-Tanzorchester Leipzig (Leitung: Kurt Henkels), Horst Fischer (Trompetensolo), Großes DEFA-Orchester, Hanhausen-Sextett, Hemmann-Quintett, Trio Harmonie.
Tänzer: Ballett der Komischen Oper Berlin, Manon Damann (Solistin), Wladimir Marof (Solist), Werner Höllein (Solist), Ballett des Friedrichstadt-Palastes Berlin, Ballett Brasiliana.
Produktion: DEFA-Studio für Spielfilme. Produktionsleitung: Werner Dau.
Erstverleih: Progress.
Uraufführung: 3. April 1958, Berlin, Babylon.
Nach zehn Jahren Ehe hat Gerda Wagner genug: Animiert durch die Begegnung mit dem umjubelten Schnulzensänger Fabiani, möchte die Hausfrau und Mutter zweier Kinder wieder ihren Ambitionen als Sängerin nachgehen und öffentlich auftreten.
Ihr Gatte Gustav ist davon wenig begeistert, fürchtet er doch um die Ruhe und Ordnung in seinem beschaulichen Heim. Weltanschaulich wenig korrekt versucht der Abteilungsleiter eines Berliner HO-Warenhauses daher, den Karriereversuch seiner Frau zu sabotieren.
Mit der Produktion leichter Unterhaltung tat man sich bei der DEFA oft schwer, obwohl genau solche Filme von weiten Teilen des DDR-Kinopublikums verlangt wurden und der Import entsprechender Produktionen insbesondere aus Westdeutschland ideologisch wie ökonomisch problematisch war. Erst 1957 versuchte sich die DEFA an einem der seinerzeit beliebten Revuefilme oder genauer: an einer leichten Komödie mit aufwendig inszenierten Musiknummern, natürlich alles in Agfacolor aus Wolfen.
Dies geschah in einer kurzen Phase einer gewissen Liberalisierung, in der die SED zugleich den gesamtdeutschen Gedanken besonders betonen wollte. Womöglich engagierte man bei der DEFA Künstler aus dem Westen (hier Lore Frisch, ihre Gesangsstimme Gitta Lind, Evelyn Künneke, Alice Prill, Kurt Schmidtchen) aber auch, weil man sich so bessere Exportchancen erhoffte.
Auch der Regisseur und (nach einem Szenarium von Walter Niklaus) Drehbuchautor Hans Heinrich kam aus dem Westen, war aber schon seit Jahren für die DEFA tätig. „Meine Frau macht Musik“ sollte dann seine letzte Arbeit für die staatliche DDR-Filmproduktion sein, machten Funktionäre doch noch vor dem Start des Streifens in diesem allerlei ideologischen Unrat aus, weshalb der Film erst geraume Zeit nach seinem ursprünglich angekündigten Premierentermin in die Kinos kam. Eine Rolle spielte dabei auch, daß Evelyn Künneke für eine Verpflichtung des Komponisten Klaus Wegener gesorgt und man bei der DEFA zu spät bemerkt hatte, daß dieser ausgerechnet beim verhaßten West-Berliner Sender RIAS tätig war. Gerd Natschinski, der damals noch am Anfang seiner großen Karriere stand, wurde beauftragt,
eine neue, zu den bereits gedrehten Szenen passende Musik zu schreiben.
Hans Heinrich schuf mit „Meine Frau macht Musik“ einen Film, der sich von den westdeutschen Produktionen jener Zeit nur in Nuancen unterschied und sich wie diese eher in den Traumwelten klassischen Kintopps bewegte als in der Realität, samt eines Phantasie-Varietés und der Möglichkeit einer Blitzkarriere im schillernden Showgeschäft.
So lag Rosemarie Rehahn nicht falsch, wenn sie in ihrer Besprechung in der „Wochenpost“ (Nr. 17/1958) „Meine Frau macht Musik“ ein „Das-können-wir-auch-Filmchen“ nannte. Oder, wie es im „Sonntag“ (Nr. 17/1958) zu lesen war: „Dieser Film beweist: Unsere volkseigene Filmproduktion steht hinter dem Westen auf
dem Gebiet des Revue- und Tanzfilms keineswegs zurück.“ Allerdings wurde dann hinzugefügt, was auch die Rezensenten anderer DDR-Blätter bemängelten: „Aber auch ein solcher Film ist Zeugnis einer bestimmten Bewußtseinsbildung und Mittel, auf das Bewußtsein der Menschen zu wirken. Unsere Filmschöpfer müssen deshalb neue Muster schaffen und zeigen, wie man mit den spezifischen Mitteln der heiteren Form auch Filme dieser Art auf ein höheres, unserer gesellschaftlichen Entwicklung entsprechenden Niveau heben kann. Im Filmlustspiel wurden solche Versuche schon mit einigem Erfolg unternommen. ‚Meine Frau macht Musik‘ aber ist kein Schritt auf diesem Wege. Seine Schöpfer wandeln auf ausgetretenen Pfaden und gehen den Weg des geringsten Widerstandes.“
Ausgerechnet Karl-Eduard von Schnitzler, der bereits als scharfer Kommentator bekannt war, dessen Sendung „Der schwarze Kanal“ damals aber noch nicht existierte und der sich Ende der fünfziger Jahre regelmäßig als Filmkritiker betätigte, fand für „Eine Frau macht Musik“ milde Worte: „Dieser Film ist zu begrüßen. Freunde der leichtesten Muse werden weitgehend befriedigt. Es ist ein großer Bunter Abend – mit allen Schwächen, die dieser Kunstgattung zur Zeit eigen sind, aber auch mit den harmlosen Belustigungen, die sie bietet.“ („Filmspiegel“ Nr. 9/1958)
Daß Günther Simon kurz nach seiner Verkörperung des in der DDR zum makellosen Märtyrer verklärten Ernst Thälmann hier einen biederen, die Emanzipation seiner Frau (die ihn kontinuierlich „Gustl“ nennt) aus egoistischen Gründen behindernden Ehemann spielte (die Verkörperung des von den Marxisten zum Haßobjekt erklärten Kleinbürgers, zu dem zu werden in Wahrheit wohl viele Proletarier träumten), zeugt von der Ambition Simons, sich nicht auf einen Rollentyp festlegen zu lassen. Auch konnte er hier erstmals zeigen, daß ihm auch komische Rollen lagen, was in den zeitgenössischen Kritiken voller Verwunderung anerkannt wurde.
Einen weiteren Film mit Günther Simon, „Lots Weib“ präsentieren wir nochmals am Montag, 19. Mai 2025 um 17.30 Uhr im Cosima-Filmtheater.
Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.
Mehr zu diesem Film hier und hier.
Dieser Film ist zu begrüßen. Freunde der leichtesten Muse werden weitgehend befriedigt. Es ist ein großer Bunter Abend.
Karl-Eduard von Schnitzler, Filmspiegel Nr. 9/1958
Quellen der filmographischen Angaben: Uraufführung, Erstverleih: https://www.filmportal.de/film/meine-frau-macht-musik_0719abb9f3fd42f198bf2d1870242663 (zuletzt besucht am 27.4.2025). Alle anderen Angaben: https://www.defa-stiftung.de/filme/filme-suchen/meine-frau-macht-musik/ (zuletzt besucht am 26.4.2025).
Photos: DEFA-Stiftung/Eduard Neufeld.