Berlin-Film-Katalog

(in Vorbereitung)

Rarität des Monats Januar 2019

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.

Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Vom 10.-16. Januar 2019 um 18 Uhr lief



Ikarus

DDR 1974/1975 – 90 Min. (2491 m) – 35 mm (1:1,66) – Farbe  

Regie: Heiner Carow. Szenarium: Klaus Schlesinger. Dramaturgie: Inge Wüste-Heym. Kamera: Jürgen Brauer. Szenenbild: Dieter Adam. Bauausführung: Werner Hensler, Erhard Kaatz. Musik: Peter Gotthardt. Liedertexte: Bettina Wegner. Es singt der Dresdner Kreuzchor unter Leitung von Prof. Martin Flämig. Kostü­me: Ewald Forchner. Masken: Bernhard Schlums, Regina Teichmann. Requisite: Jürgen Janitz, Kurt Schauer. Beleuchtungsmeister: Horst Bochow. Schnitt: Evelyn Carow. Ton: Werner Klein, Günter Witt. Regieassistenz: Petra Pumperla. Kamera­assistenz: Robert Nitzschke, Norbert Kuhröber. Aufnahmeleitung: Heinz Ullrich, Heinz-Jürgen Schmidt

Darsteller: Peter Welz (Mathias), Karin Gregorek (Mutter), Peter Aust (Vater), Hermann Beyer (Onkel Jochen), Günter Junghans (Kriminalpolizist), Rolf Hoppe (Brigadier), Heidemarie Wenzel (Fräulein Sandke), Günter Schubert (Volkspolizist), Jarmila Kalovska (Großmutter), Carl Heinz Choynski (Dieb), Fred Delmare (Nach­bar), Willi Schrade (Vaters Kollege), Ursula Staack (Lehrerin), Frank Schenk (Mann in der Schule), die Kinder Jens Riehle (Kater), Uwe Benecke (Floppi), Holger Kutzner (Junge im Volkspolizeirevier), Jens Domnowski (Keule), Uwe Flade (Thomas), Thomas Höll (Karlowski) u.a

Ein Film der DEFA, Studio für Spielfilme, Gruppe Babelsberg. Produktion: Hans-Erich Busch.

Erstverleih: Progress.

Uraufführung: 19. September 1975, Karl-Marx-Stadt (heute wieder Chemnitz), Europa 70 (III. Tage des sozialistischen Films)


An seinem neunten Geburtstag freut sich Mathias auf den Rundflug über Berlin, den ihm sein Vater vor einiger Zeit, bei einem überraschenden Besuch seines Sohnes, versprochen hat. Doch der Vater, wie die Mutter nach der Schei­dung längst wieder neu liiert, scheint sein Versprechen ver­gessen zu haben und ist unauffindbar. Also macht sich Mathias, der Wirklichkeit und (Wunsch-) Träume nicht immer so recht auseinanderhalten kann oder will und fest daran glaubt, daß sein Vater seine Zusage einhalten wird, auf die Suche nach ihm, quer durch Ost-Berlin, bis zum Flughafen Schönefeld.

Seinem kindlichen Protagonisten zum Trotz wurde „Ikarus“, der – ab­ge­se­hen von Rückblenden und Traumsequenzen – an einem einzigen Wintertag spielt, bei seinem Erscheinen 1975 in der DDR kaum als Kinderfilm (miß)verstanden. Viele Kritiker sahen darin eher das Portrait einer Gesellschaft mit Defiziten im zwi­schenmenschlichen Umgang, welche am unsensiblen Ver­halten gegenüber Kindern besonders deutlich werden.

Auch Heiner Carow erklärte zu diesem Film, den er unmittelbar nach „Die Legen­de von Paul und Paula“ inszeniert hatte (in „Film und Fernsehen“ Nr. 2/1976): „‚Ikarus’-Mathias, dieser neunjährige unschuldige Junge war für uns so etwas wie ein Sinnbild der Menschlichkeit. Seine Ehrlichkeit ist grenzenlos.“ Und: „es sollte ein Film über menschliche Beziehungen in unserer Gesellschaft sein. Kein Film über Eheschei­dung oder nur über Kinder und ihr Verhältnis zu Erwachsenen. Man verliert nicht selten den Blick dafür, ob einer zurückbleibt und unglücklich wird, wenn man sein Leben einrichtet und seine beruflichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen erfüllt. Wir sagen: Im Mittelpunkt steht der Mensch. Also muß doch alles, was wir tun, für den Menschen und sein Glück geschehen. Die Frage nach Glück und Glücklichsein sollte dieser Film stellen.“

Während einige Betonköpfe den Streifen, der seine Uraufführung während der „III. Tage des sozialistischen Films“ erlebte, angriffen, bekam er in der DDR-Pres­se viele positive Kritiken und lief später auch im Fern­sehen. Der Dreh­buch­autor Klaus Schlesinger freilich wurde wenige Jahre darauf ebenso aus der DDR heraus­gedrängt wie seine damalige Frau, die Liedermacherin Bettina Wegner, die zu „Ikarus“ die Liedtexte beigesteuert hatte. Der kleine Haupt­darsteller Peter Welz, Jahrgang 1963, spielte noch in einigen weiteren Produktionen mit und wurde schließlich selbst Film- und Fernsehregisseur (so war seine erste abendfüllende Regiearbeit „Banale Tage“ im November 2017 unsere Berlin-Film-Rarität des Monats). 


Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.

Mehr zu dem Film hierhier und hier.










Quellen der filmographischen Angaben: Filmlänge, Filmformat: https://www.defa-stiftung.de/filme/filmsuche/ikarus/ (besucht am 3.1.2019). Bildformat, Datum und Ort der Uraufführung: Ralf Schenk (Red.): Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg – DEFA-Spielfilme 1946-92, Berlin: Henschel 1994. Gesang, Re­quisite, Beleuchtungsmeister, Rollenzuordnungen: Progress Pressebulletin/Kino DDR, Sonderheft IV (1975) (dort als Länge genannt: 2346 m, 86 Minuten, Schreibweisen von Darstellernamen abweichend vom Originalvorspann: „Günther Junghans“, „Carl-Heinz Choynski“, „Uwe Bennecke“, „Holger Kützner“). Alle anderen Angaben: Originalvorspann

Bilder: DEFA-Stiftung/Norbert Kuhröber.