Berlin-Film-Katalog

(in Vorbereitung)

Rarität des Monats März 2018

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.

Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Vom 12.-14. März 2018 um 18 Uhr lief


Zwei unter Millionen

BRD 1961 – 76 Min. (2103 m) – 35 mm (1:1,33) – Schwarzweiß
Regie: Victor Vicas, Wieland Liebske. Drehbuch: Gerd Oelschlegel. Nach dem gleichnamigen Roman von Walter Lembke. Kamera: Heinz Hölscher. Kameraführung: Klaus König. Bauten: Albrecht Hennings, Hans Auffenberg. Schnitt: Klaus Dudenhöfer. Musik: Franz Grothe.
Darsteller: Hardy Krüger (Karl), Loni von Friedl (Christine), Walter Giller (Paulchen), Joseph Offenbach (Herr Lohmann, Kneipenwirt), Ilse Fürstenberg (Frau Lohmann), Fritz Tillmann (Heini Petersen), Ludwig Linkmann (Bienert), Harry Gillmann (Wilhelm), Reinhold Bernt (Schliemke), Lore Hartling (Helga), Maly Delschaft, Claus Tinney, Traute Bengen, Henriette Gonnermann, Oscar Sabo, Manfred Meurer, Siegfried Dornbusch, Heinz Diesing, Tobias Pegel, Hellmut Grube, Fred Woywode.
Produktion: Ufa Film Hansa GmbH & Co. (Hamburg). Produzent: Georg Richter, Hardy Krüger (Produktionsbeteiligung).

Drehorte: Adalbertstraße, Bahnhof Zoo (Terrassen), Breitscheidplatz, Budapester Straße, Bülowstraße, Hardenbergplatz, Hardenbergstraße, Kurfürstendamm, Lübbener Straße, Markgrafenstraße, Naunynstraße, Oberbaumstraße, Skalitzer Straße, U-Bahnhof Innsbrucker Platz, Waldemarstraße, Ufa-Studios Berlin-Tempelhof u.a.

Erstverleih: Ufa-Filmhansa.

Uraufführung: 12. Oktober 1961, Hannover (Regina).
Erstsendung: 13. August 1965, 20.00 Uhr, ZDF.


Die Wirklichkeit war Mangelware im Kino der Adenauer-Ära. Und setzte sich ein Spielfilm doch einmal mit dem Leben in der jungen Bundesrepublik auseinander, so geschah dies von der Handlung wie von der Bildgestaltung her meist in den Konventionen der Traumfabrik. Eine der wenigen Ausnahmen ist diese vom italienischen Neorealismus (ein wenig auch von der Nouvelle Vague) inspirierte und deshalb zum größten Teil in den Straßen Berlins, außerhalb eines Ateliers gedrehte Produktion. Sie verstieß zudem gegen die damalige Branchenregel, wonach die deutsche Teilung und erst recht der Dauerkrisenherd Berlin „Kassengift“ und daher von Filmemachern zu meiden wären.

Unprätentiös und wirklichkeitsnah wird die Geschichte zweier junger Leute aus dem Osten erzählt, die in West-Berlin Fuß zu fassen versuchen: Kalle (Hardy Krüger), der tagsüber in der Ost-Berliner Zentralmarkthalle arbeitet und abends in einer West-Berliner Kneipe kellnert, bringt die aus Rostock kommende Christine – eine Zufallsbekanntschaft – über die Sektorengrenze. Christines Weiterfahrt nach Westdeutschland zerschlägt sich, da ihre gutsituierte Schwester in Düsseldorf erst verreist ist und dann wenig Begeisterung zeigt, einen Flüchtling aufzunehmen. Schnell verlieben sich die beiden jungen Leute ineinander und heiraten. Kalle versucht, die Kneipe, in der er arbeitet und deren Besitzer in den Ruhestand gehen will, zu übernehmen. Doch die großen Träume von der eigenständigen Existenz drohen zu scheitern, und darüber gerät auch die junge Liebe in Gefahr.

Während DEFA-Filme über die Teilung in der Regel einen scharfen Kontrast zwischen Ost und West zeichneten, war in diesem Westfilm der Blick auf den Westen bereits kritisch-distanziert, wie es später die Regel werden sollte. So verläßt der junge Protagonist den Osten denn auch vor allem der geliebten Frau wegen, derweil sein bester Freund (gespielt vom ganz überzeugend berlinernden Hamburger Walter Giller) gar keinen Grund zur „Republikflucht“ sieht. Wie er sich im geteilten Berlin eingerichtet hatte, war freilich zur Premiere des Films im Oktober 1961 schon Vergangenheit: Mittlerweile war die Mauer gebaut worden.

Für den Regisseur Victor Vicas hatten bereits die Dreharbeiten unter keinem guten Stern gestanden: Nach rund einem Drittel der Zeit war er schwer erkrankt, weshalb sein Assistent Wieland Liebske die Regie übernommen hatte. Trotz dieses Talentbeweises sollte es Liebskes einzige Regiearbeit bleiben. Der Drehbuchautor Gerd Oelschlegel, in Leipzig geboren, hatte sich schon mit Arbeiten zur deutschen Teilung einen Namen gemacht und blieb diesem Thema auch weiterhin treu. Zu „Zwei unter Millionen“ angeregt haben soll ihn Hardy Krüger, der sich an dem Streifen – einem der letzten deutschen Kinofilme, in denen er mitwirkte – auch als Koproduzent beteiligte.

„Zwei unter Millionen“ wurde 1962 (als die künstlerisch seit langem schwelende Filmkrise in der BRD auch ökonomische Dimensionen annahm) mit vier Deutschen Filmpreisen ausgezeichnet: Filmbänder in Gold gingen an Gerd Oelschlegel (bestes Drehbuch), Walter Giller (bester Nebendarsteller) und Loni von Friedl (beste Nachwuchsschauspielerin), ein Filmband in Silber an die Produktion (Dritter Preis für einen abendfüllenden Spielfilm).

Wir zeigen „Zwei unter Millionen“ auch als frühe Würdigung zum neunzigsten Geburtstag von Hardy Krüger, den der im Wedding Geborene, in Biesdorf Aufgewachsene am 12. April 2018 feiern kann.

Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.

Mehr zu dem Film hier.

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J.G.

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Quellen der filmographischen Angaben: Drehorte: Der Tagesspiegel vom 30. Juli 1961, eigene Kenntnisse. Erstverleih: Film-Dienst Nr. 45 vom 1. November 1961. Erstsendung: ZDF-Programm Nr. 33/1965. Alle anderen Angaben: https://www.filmportal.de/film/zwei-unter-millionen_241f14cb606f410da9eff07a668d1c0f (besucht am 4.2.2018).

Bilder: Filmmuseum Berlin – Deutsche Kinemathek.