Berlin-Film-Katalog

(in Vorbereitung)

Rarität des Monats September 2015

Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.

Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.

Nach der Sommerpause im August lief vom 10.-16. September 2015 um 18 Uhr

Zugverkehr unregelmäßig

DDR 1951 – 82 Min. (2236 m) – 35 mm (1:1,33) – Schwarzweiß
Regie: Erich Freund. Buch: Peter Bejach, Herrmann Turowski. Kamera: Willi Kuhle. Bauten: Willy Schiller. Musik: Franz R. Friedl. Regie-Assistent: Hans-Joachim Kunert. Ton: Kurt Witte. Schnitt: Ferdinand Weintraub. Aufnahmeleitung: Herbert Grösser, Otto Schröder.
Darsteller: Claus Holm, Inge Keller, Hanns Groth, Brigitte Krause, Peter Lehmbrock, Eva-Maria Bath, Horst Drinda, Margarete Kupfer, Werner Pledath, Fred Kronström, Albert Venohr, Theo Schall, Joachim Schoelermann, Annemarie Hase, Curt Trepte, Hugo Kalthoff, David Kirsa, Günther Puppe, Heinz Scholz u.a.m.
Produktion: DEFA. Produktionsleitung: Richard Brandt.
Uraufführung: 27. Juli 1951, Berlin, DEFA-Filmtheater Kastanienallee und Filmtheater am Friedrichshain.

Leistungsfähige öffentliche Verkehrsmittel waren eine Voraussetzung für das Entstehen der modernen Großstadt, und noch heute ist ein angenehmes Leben dort ohne Busse und Bahnen undenkbar. Dennoch spielten letztere erstaunlich selten eine Hauptrolle in den Tausenden von Berlin-Filmen, die bis heute entstanden sind.

Auch in „Zugverkehr unregelmäßig“ ist die S-Bahn in doppeltem Sinne ein Vehikel. Mitte 1951 uraufgeführt, handelt es sich um einen der ersten Filme, der das bis zum Mauerbau in fast allen DEFA-Produktionen gezeichnete Berlin-Bild bot: Tatkräftiger, optimistischer Aufbau im Osten, der allerdings permanent gestört wird durch die Zustände auf der anderen Seite der noch offenen Sektorengrenze. Denn West-Berlin wird bevölkert von Schiebern und Spekulanten, Spionen und Saboteuren, Arbeitsscheuen, Prostituierten und Berufsverbrechern. Nur sie profitieren vom in Wahrheit falschen Glanz des „Wirtschaftswunders“, der auf Pump und nicht zuletzt durch Ausplünderung des redlich schaffenden Ostens finanziert wird.

Im vorliegenden Falle trifft letztere eben vor allem die S-Bahn, zu deren Sabotage die Bösewichte immer eigens in den Ostsektor fahren. Dabei wurde dieses Verkehrsmittel bis 1984 auch in West-Berlin von der Deutschen Reichsbahn der sowjetischen Zone bzw. der DDR betrieben. Und der östlichen Sichtweise zufolge würde die Polizei der Westsektoren den Übeltätern vermutlich nichts tun, da ja auch sie im Auftrag der dortigen schurkischen Obrigkeit handelt. Wären die Drehbuchautoren aber der Logik gefolgt, hätten sie nicht auch noch das wackere Wirken der Ost-Berliner „Volkspolizei“ feiern können.

Vor allem aber war dieser Spielfilm eine schnelle Reaktion auf die Tatsache, daß es bei der Berliner S-Bahn um 1950 tatsächlich öfter „Zugverkehr unregelmäßig“ hieß: Schnell war sie zu einem Austragungsort des Kalten Kriegs geworden, der mit der sowjetischen Berlin-Blockade im Sommer 1948 offen und sogleich sehr heftig begonnen hatte. Sabotage durch westliche Kräfte mag dabei vorgekommen sein. Für den Osten konnte diese aber auch stets gut als Ausrede für alles Mögliche herhalten, das wieder einmal nicht funktionierte, sei es durch das Wirtschaftssystem, durch politische Einmischung oder durch die Reparationen, die an die Sowjetunion zu leisten waren.

„Zugverkehr unregelmäßig“ stellt allerdings auch deshalb ein Zeugnis des Kalten Kriegs dar, weil der Film mit seiner propagandistischen Absicht und der entsprechend holzschnittartigen Darstellung zeigt, wie sich auch bei der DEFA das ideologische Klima verschärft hatte.

Allen inhaltlichen und formalen Einwänden zum Trotz ist „Zugverkehr unregelmäßig“ natürlich sehr interessant als Dokument seiner Zeit und wegen zahlreicher Ansichten des damaligen Berlin: Alexanderplatz, S-Bahnhof Börse (heute Hackescher Markt), Pergamonmuseum, um nur einige zu nennen.

Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.

Weitere Informationen hier.

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J.G.

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Quellen der filmographischen Angaben: Filmlänge, Uraufführung: http://www.filmportal.de/film/zugverkehr-unregelmaessig_b753193e92a1417081b2c41ccf2b6c1d (besucht am 30. Juli 2015), alle anderen Angaben: Originalvorspann.

Bilder: DEFA-Stiftung.