Berlin-Film-Katalog

(in Vorbereitung)


10 Jahre Berlin-Film-Raritäten im Brotfabrikkino

Vor zehn Jahren, am 11. Juni 2012, natürlich einem Montag (dem zweiten des Monats, der seither unser Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films ist), präsentierte Berlin-Film-Katalog zum ersten Mal eine Berlin-Film-Rarität im Brotfabrikkino: Georg Tresslers 1957 entstandene Alltagsromanze „Endstation Liebe“ nach einem Drehbuch von Will Tremper und mit Horst Buchholz in der männlichen Hauptrolle.

Damit trat das Projekt Berlin-Film-Katalog an die Öffentlichkeit. Sein Ziel: die Erstellung einer (selbstverständlich kostenlos nutzbaren) Internet-Datenbank aller Filme, die in Berlin spielen oder erkennbar (also nicht nur in irgendeinem Studio) in Berlin gedreht wurden.

Mit diesem Vorhaben sind wir auch nach zehn Jahren noch nicht sehr weit vorangekommen. Selbst die Liste aller Filme, die die genannten Kriterien erfüllen, könnte eifriger aktualisiert und vor allem auch detailreicher gestaltet werden. Und in diese Website haben sich im Laufe der Jahre einige Uneinheitlichkeiten eingeschlichen, Bilder sind abhanden gekommen, Tippfehler warten darauf, endlich korrigiert zu werden ... Aber man kommt ja zu nichts – es sei denn, es besteht ein äußerer Zwang dazu. Wie zum Beispiel jeden Monat eine Berlin-Film-Rarität zu präsentieren. Weshalb es von außen zuweilen so scheinen mag, als wäre das Projekt Berlin-Film-Katalog inzwischen von dem einer Datenbank zu einer reinen Filmreihe mutiert, also das, was nur Mittel zum Zweck (der Erzielung von Aufmerksamkeit) war,  zum eigentlichen Inhalt geworden.

Doch aufgeschoben ist bei weitem nicht aufgehoben, und das Ziel, eine Datenbank zu erstellen, besteht nach wie vor.

Dieser Tage soll aber erst einmal Bilanz gezogen werden:

106 mal hat Berlin-Film-Katalog von Juni 2012 bis Mai 2022 Berlin-Film-Raritäten vorgestellt, und da darunter auch einige kurze Filme sowie solche mittlerer Länge waren, haben wir im genannten Zeitraum 116 Filme gezeigt (eine vollständige Liste finden Sie hier).

32 der 116 Filme waren Dokumentationen (Rosa von Praunheims „Unsere Leichen leben noch“ als eine solche gezählt, sein Film „Rote Liebe“ nicht).

Bei 20 Filmen führten Frauen die (Co-) Regie. Der sich daraus ergebende Anteil von 17,2 Prozent ist natürlich weit von einer Parität entfernt, aber ebenso selbstverständlich kann man in einer filmhistorischen Reihe nur zeigen, was in der ferneren Vergangenheit produziert wurde und die jahrzehntelange Benachteiligung von Frauen auch in der Filmbranche nicht ungeschehen machen.

Und auch wenn es politisch nicht korrekt sein mag: Eine Ermittlung sexueller Präferenzen, der Formen etwaiger Behinderungen (und des sich daraus ergebenden Grads der Behinderung), der Religion, der geographischen Herkunft oder der Vorfahren der Menschen im Regiestuhl haben wir nicht vorgenommen und können somit auch nichts zur Erfüllung weiterer Quoten sagen. Wobei zugegebenermaßen bereits die Zuordnung der oben genannten Personen, die bei 20 Filmen (Co-) Regie führten, zum weiblichen Geschlecht heikel ist, denn es wurde nicht erfragt oder untersucht, ob sie sich wirklich diesem zuordnen mochten oder möchten. Gleiches gilt für jene Menschen, die von uns als Männer betrachtet wurden. Natürlich möchten wir uns dafür entschuldigen. Aufrichtig.

48 (= 41,4 %) der Filme kamen aus der DDR bzw. der sowjetischen Besatzungszone und Ost-Berlin, 38 (= 32,8 %) aus der BRD und West-Berlin bis einschließlich 1990, 9 (= 7,7 %) aus dem Deutschen Reich bis 1945 und 21 (= 18,1 %) aus dem wiedervereinten Deutschland.

Die hundertste Präsentation von Berlin-Film-Raritäten fand bereits im November 2021 statt – bzw. erst dann, denn das Coronavirus zwang natürlich auch uns zu zwei unfreiwilligen Pausen. Andernfalls wären wir im Juni 2022 statt bei Präsentation Nummer 107 bereits bei Nummer 120. „Präsentation“ und nicht „Film“, denn in manchen Monaten gab es wie erwähnt mehrere Filme in einem Programm zu sehen.

Was überhaupt eine Rarität ist, entscheiden natürlich wir. Da man aber erst nach einer gewissen Zeit sagen kann, ob ein Film nur selten gezeigt wird, womöglich weitgehend in Vergessenheit geraten ist, präsentieren wir in dieser Reihe nur Arbeiten,  die mindestens zehn Jahre alt sind. Von sofort an könnten also auch Filme ins Programm genommen werden, die ungefähr zeitgleich mit dem Projekt Berlin-Film-Katalog das Licht der Welt erblickten. Eine einzige Ausnahme von dieser Zehn-Jahres-Regel mußten wir im Dezember 2021 machen, als wir den hundertsten Geburtstag von Erika Rabau begehen wollten und uns der zu diesem Zweck gedachte Film kurzfristig entzogen wurde.

Damit nicht einzelne Filmemacher zu stark vertreten sind, gilt ferner die Regel, daß zwischen der Aufführung von Arbeiten desselben Regisseurs ein Mindestabstand von zwei Jahren liegen sollte. Auch hier gab es Ausnahmen: Zu Beginn des Programms, als von Wolfgang Staudte im November 2012 seine Komödie „Ganovenehre“ lief (insbesondere, um an den großartigen Curt Bois zu erinnern, der im Nachkriegsdeutschland nur noch selten vor einer Kamera stand) und im Juni 2013 sein bis heute viel zu selten gezeigtes Antifadrama „Rotation“. Aber Staudte ist natürlich einer der ganz Großen des deutschen Films. Der König des deutschen Undergroundfilms und Urvater des „German Mumblecore“, Lothar Lambert, war im Januar 2013 mit seinem Frühwerk „Ein Schuß Sehnsucht – Sein Kampf“ vertreten und im November desselben Jahres mit der Komödie „Der sexte Sinn“, bei der er allerdings nur als Co-Regisseur fungiert und die Inszenierung in Wahrheit weitgehend seiner Partnerin Dagmar Beiersdorf überlassen hatte, was dem Stil des Films auch anzumerken ist.

Das „Kuratieren“, wie das Zusammenstellen eines Filmprogramms inzwischen gern hochtrabend genannt wird, geschieht natürlich leider nicht nur nach den hehren Kriterien des Wünschenswerten, sondern mindestens ebenso stark innerhalb der schnöden Grenzen des Machbaren: Welche Filme sind überhaupt verfügbar, auf welchem Vorführmaterial, und was kostet eine Aufführung? Dabei sei angemerkt, daß es für diese Reihe, von einer Ausnahme für eine Sonderveranstaltung abgesehen, in den vergangenen zehn Jahren keinerlei Förderung der öffentlichen Hand gab. Um so wertvoller war die Unterstützung durch Regisseure, Produzenten, Verleiher, von denen viele erlaubten, ihre Filme zu Freundschaftskonditionen zu zeigen. Dafür an dieser Stelle noch einmal herzlichen Dank.

Jeder Film, der in der Reihe lief, wurde mit einer Einführung vorgestellt, (fast) immer am zweiten Montag des Monats, immer verfaßt und (fast) immer vorgetragen von Jan Gympel – die wenigen Ausnahmen waren nicht urlaubs-, sondern einzig krankheitsbedingt.

Als Ehren- und meist auch Gesprächsgäste begrüßten wir neben anderen Frank Amann, Alfred Behrens, Frank-Guido Blasberg, Edwin Brienen, Heinz Brinkmann, Oksana Bulgakowa, Clara Burckner, Johann Feindt, Götz Filenius, Katrin Filenius, Maren-Kea Freese, Matthias Freihof, Uwe Frießner, Hans-Dieter Grabe, Lilly Grote, Iris Gusner, Romy Haag, Kirsten Hartung, Harald Hauswald, Dietmar Hochmuth, Günter Jordan, Judith Keil, Dietmar Klein, Michael Klier, Günter Kotte, Antje Kruska, Julia Kunert, Lothar Lambert, Ivette Löcker, Torsten Löhn, Yvonne Loquens, Helke Misselwitz, Vera Müller, René Perraudin, Erika Rabau, Lutz Rathenow, Helga Reidemeister, Joost Renders, Bernhard Sallmann, Otto Sander, Pierre Sanoussi-Bliss, Ulrike Schamoni, Ulrike Schirm alias Ulrike S., Peter Schirmann, Karin Schöning, David Slama, Peter Timm, Laura Tonke, Peter Voigt, Helmut Wietz, Marcus Winterbauer, Jochen Wisotzki, Regina Ziegler, Christian Ziewer.

Auf die nächsten Gäste freuen wir uns schon: Rafael Fuster Pardo am 13. Juni und Ulrike Schirm und Christian Sievers am 11. Juli.

Und wir freuen uns auf die nächsten zehn Jahre.

Also, wenn Sie’s immer noch nicht getan haben sollten: Kommen Sie doch mal vorbei! Das Brotfabrikkino liegt zwar in Weißensee, aber wirklich nicht kurz vor dem Ural, sondern direkt an der Grenze zu Prenzlauer Berg, nur zwei Straßenbahnhaltestellen vom Ringbahnhof Prenzlauer Allee entfernt, und mit derselben Tramlinie M 2 fährt man vom Alexanderplatz in weniger als einer Viertelstunde bis fast vor die Kinotür.



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