Rarität des Monats Juni 2023
Die Auswahl an Berlin-Filmen, die in den Kinos wie im Fernsehen läuft, wird immer kleiner. Das Filmbild der Stadt wird dementsprechend von immer weniger Werken geprägt. Und immer mehr Berlin-Filme, darunter auch bedeutende, geraten in Vergessenheit.
Deshalb und um zu zeigen, daß Berlin-Film-Katalog nicht nur auf Geld wartet, gibt es den Jour fixe des selten gezeigten Berlin-Films: Seit Juni 2012 wird jeweils am zweiten Montag im Monat im Brotfabrikkino eine Berlin-Film-Rarität präsentiert.
Vom 12.-14. Juni 2023 jeweils um 18 Uhr (am 12. mit einer Einführung) läuft
Engel aus Eisen
BRD 1980/1981 – 105 Minuten – Schwarzweiß – R+B: Thomas Brasch – K: Walter Lassally – M: Christian Kunert – D: Ulrich Wesselmann, Hilmar Thate, Katharina Thalbach, Karin Baal, Ilse Pagé, Klaus Pohl
Weitere Informationen folgen.
In der DDR war der Dichter und Dramatiker, Schriftsteller und Lyriker Thomas Brasch (1945-2001) immer wieder erheblich angeeckt, hatte aber auch kurzzeitig an der Babelsberger Filmhochschule studieren dürfen. Seinen ersten Film konnte er jedoch erst drehen, nachdem er den SED-Staat im Gefolge des Protests gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns verlassen hatte.
„Engel aus Eisen“ griff ein Thema aus der Frühzeit der Teilung Deutschlands und damit auch Berlins auf: Den Fall der „Gladow-Bande“, die vor allem während der sowjetischen Blockade der Berliner Westsektoren 1948/1949 ihr Unwesen trieb, benannt und angeführt von Werner Gladow (Jahrgang 1931), der davon träumte, zum Gangsterkönig aufzusteigen. Er und seine meist ebenfalls noch (sehr) jungen Bandenmitglieder nutzten bei ihren Taten die Probleme der Berliner Polizei aus, die durch die Teilung der Stadtverwaltung und auch der Ordnungskräfte im Zuge des nun voll ausgebrochenen Kalten Krieges entstanden waren.
Brasch schrieb und inszenierte aber keinen konventionellen Krimi. In seinem Schwarzweißfilm, der vom renommierten Kameramann Walter Lassally photographiert wurde, schilderte er weniger die Aktivitäten der Bande und die Ermittlungen gegen sie als das spannungsreiche Verhältnis zwischen Gladow und dem (im Film ehemaligen) Scharfrichter Gustav Völpel, beider Motive für ihre kriminellen Karrieren und konzentrierte sich eher auf die Beschreibung von Stimmungen und Psychologie. Zu diesem Zweck nahm sich Brasch auch einige künstlerische Freiheiten im Umgang mit den historischen Fakten. Ebenso wurde die Rekonstruktion der Alltagsästhetik eher nachlässig betrieben: Aus heutiger Sicht sehen vor allem die Darsteller in „Engel aus Eisen“ zuweilen eher nach den frühen achtziger Jahren aus als nach den späten Vierzigern. Andererseits achtete Brasch auf ein Detail, das in anderen Filmen, die während der Blockade spielen, gern vergessen wird: den Fluglärm, dem damals weite Teile Berlins durch die westalliierte Luftbrücke ausgesetzt waren.
Brasch erhielt für seinen Erstling 1981 den Bayerischen Filmpreis, bei dessen Verleihung er für einen Eklat sorgte, damit aber zugleich dem damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß unfreiwillig eine Gelegenheit verschaffte, sich als liberal und tolerant zu präsentieren.
Wir zeigen „Engel aus Eisen“ zum 75. Jahrestag der sowjetischen Blockade der Berliner Westsektoren und damit auch dem 75. Jahrestag der Luftbrücke, die beide im Juni 1948 begannen.
Unser Flyer zu dieser Rarität. Sie dürfen ihn gern herunterladen, ausdrucken, verteilen oder einrahmen und an die Wand hängen.
Quellen der filmographischen Angaben: folgen
Photos: Deutsche Kinemathek - Museum für Film und Fernsehen.